Die unbegreifliche Wahrheit der Worte und das Gespräch der Welt

Mittwoch, 15. Juni 2011 um 18:15 Uhr, Philosophisches Seminar, Hegelsaal

Vortrag von Prof. Dr. Mario Ruggenini, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Universität Venedig.

1. Wahrheit, Wirklichkeit, Sprache. Die Wahrheit, die sich in den Worten der Menschen mitteilt und zugleich verbirgt, die Wahrheit, die sich in der Sprache ereignet und die gibt, dass die Menschen im Gespräch miteinander bleiben, ist die Wahrheit der Interpretation. Die Wahrheit, die die Menschen existieren lässt.

2. Das grundlegende Misstrauen der Philosophie der Sprache gegenüber, das sich von der Antike über die Neuzeit bis in die Gegenwart durchhält (so als ob denken bzw. Bewusstsein von etwas haben nicht immer schon sprechen bedeutete), die gewissermaßen nostalgische Privilegierung der Einfachheit der Intuition im Gegensatz zur ausgesprochenen Komplexität der Rede, zeigt, daß der Ursprung des Logozentrismus der Spracherfahrung ganz unabhängig ist, und verweist im Gegenteil auf einen grundlegenden Mangel an dieser Erfahrung und infolgedessen der entsprechenden Ausarbeitung, anstatt den unvermeidlichen intellektualistischen Absturz in der Hinwendung zu den Worten der Rede zu beweisen. Ein Missverständnis, das in der Epoche der Spätmoderne auch die Suggestivkraft von Nietzsches Kritik am Konzeptualismus der rationalistischen und idealistischen Tradition bestätigt.

3. Eine Grundschwierigkeit mit der Sprache, die auch bestehen bleibt, schlimmer, die wird fast unüberwindlich, sobald sich der moderne Subjekt-Mensch, d.h. das Bewusstsein, nicht mehr auf die Wirklichkeit in ihrer Präsenz und Dauer richtet, sondern auf das Gegebene (les données, the given), das uns gerade in seinem Gegebensein, wie punktuell und flüchtig auch immer, vor dem trügerischen Schein jeder reinen Theorie schützen soll. Das grundlegende Misstrauen der Philosophie der Sprache gegenüber, das sich von der Antike über die Neuzeit bis in die Gegenwart durchhält (so als ob denken bzw. Bewusstsein von etwas haben nicht immer schon sprechen bedeutete), die gewissermaßen nostalgische Privilegierung der Einfachheit der Intuition im Gegensatz zur ausgesprochenen Komplexität der Rede, zeigt, daß der Ursprung des Logozentrismus der Spracherfahrung ganz unabhängig ist, und verweist im Gegenteil auf einen grundlegenden Mangel an dieser Erfahrung und infolgedessen der entsprechenden Ausarbeitung, anstatt den unvermeidlichen intellektualistischen Absturz in der Hinwendung zu den Worten der Rede zu beweisen. Ein Missverständnis, das in der Epoche der Spätmoderne auch die Suggestivkraft von Nietzsches Kritik am Konzeptualismus der rationalistischen und idealistischen Tradition bestätigt.

4. Die Wahrheit, die sich hier zu denken gibt, von der sich die Existenz nicht lossagen kann, ist immer die Wahrheit, die sich sagen lässt bzw. die das Existieren des Menschen als das Wesen voraussetzt, das zum Wort aufgerufen ist, was ihn von allen anderen Lebewesen unterscheidet; daher ereignet sich das Wahre, in welcher Form auch immer – also auch außerhalb der im engeren Sinn verbalen (mündlichen oder schriftlichen) Rede – als Wahrheit der Existenz für das Verstehen und die Praxis, der das Wort die Welt erschließt.