Ich denke, also bin ich nun

Mittwoch, 8. Dezember 2010 um 19:00 Uhr, Philosophisches Seminar, Hegelsaal

Martin Erdmann, buddistischer Lehrer (Satsang) leitet eine Meditation zur Frage "Was ist Sprache?"

Descartes suchte das Ich, zu dem er gelangte, zu dem fundamentum inconcussum, zu der unverbrüchlichen Grundlage allen Philosophierens zu machen. Seine Theorie des Ichs setzte sich in Theorien des Selbstbewusstseins fort, die zu keinem Ergebnis führten. „Jedenfalls ist die Klammer zurückgeschlagen an den Ausgangspunkt, von dem unsere Reise durch die Selbstbewusstseinstheorien der philosophischen Moderne nach Kant aufgebrochen war.“ (Manfred Frank, Selbstbewusstseinstheorien von Fichte bis Sartre, 1993, S. 599, Suhrkamp) Weitere Untersuchungen zeigten, „dass das Geheimnis noch nicht gelüftet ist. Ja, es sieht nicht einmal so aus, als sei – begriffliche Verfeinerungen abgerechnet – ein wesentlich tieferes Problemverständnis erreicht worden.“ (Manfred Frank, Selbstgefühl, 2002, S. 259, Suhrkamp)

So trat man dreihundert Jahre lang auf der Stelle. Die Problemlage ist im Wesentlichen diese. In einer Theorie des Selbstbewusstseins sucht man das Subjekt zu ergründen, es auf einen begrifflichen Nenner zu bringen. Dafür muss man es zu einem Gegenstand der Betrachtung, zu einem Objekt also, machen. Dabei wollte man doch das Subjekt, nicht das Objekt ergründen. Nimmt man aber das Subjekt in den Blick, so ist da nichts zu finden, weil nur das Objekt Gegenstand der Untersuchung sein kann. So macht man es erneut zum Objekt, um dabei das Subjekt zu verlieren, um welches es doch geht. So treibt man das Spiel weiter, um in eine Endlosschleife, in einen infiniten Regress, zu landen. So kam man zu dem Ergebnis, dass die Theorie falsch ist.

Was man nicht sah, ist dies. Was eigentlich falsch ist, ist das Ich, das sich reflexiv in die Theorien des Selbstbewusstseins fortsetzt. Die Theorie spiegelt den psychologischen Widerspruchs des Ichs wieder. In dem Sinne ist die Theorie gar nicht fehlerhaft. Der eigentliche Fehler ist in dem Ich zu finden. Als Ich suchen wir uns nämlich ständig, zu einem Objekt zu machen.

Sobald wir allein sind, fangen wir an, mit uns selber zu reden. Die meisten machen das leise, einige tun es laut. Da wollen wir uns fragen: Wer redet da mit wem? Da ist doch kein Gegenüber, kein anderer; kein Objekt der Betrachtung ist da, mit dem das Subjekt in einen Austausch treten könnte. Es ist doch nur das eine Ich, das eine Subjekt anwesend. Was für ein Gespräch ist dies Selbstgespräch also?

Dies ist eine der Themen, die wir untersuchen wollen. Dabei kann man sehen, dass das Ich auf einem tiefsitzenden Widerspruch beruht. Dieser besteht darin, dass sich das Subjekt zu einem Objekt machen will. So gerät das Subjekt in die Ich-, in die Selbstentfremdung. In einem Vorgang, der unbewusst geschieht, kommt es zu einem unwahren, einem illusionären Ich.

Wir werden zusammen einige Übungen praktizieren, welche die Illusion des Ichs bewusst machen sollen. Steigt das unwahre Ich in das Bewusstsein, so beginnt es sich zu lösen. Was bleibt, ist das wahre Ich, das sich nicht mehr zu einem Objekt machen will. Es ist einfach das, was Es ist. Die östliche Philosophie spricht von dem wahren Selbst, das reine Seligkeit ist.

Wer näher an dem Thema interessiert ist, kann auf www.satsa.de, dann Jetzt-TV gehen. Unter dem Titel „Weil du sterben musst, um zu leben“ wurden Gespräche aufgezeichnet, an denen Studenten des Philosophischen Seminars beteiligt waren.

Unter „Texte“ werden drei Bücher vorgestellt, welche der Illusion des Ichs auf den Grund zu gehen suchen, Man findet sie in dem Freihandbereich der UB. Meditationen über Descartes „Meditationes“ findet man unter dem Link „Texte“ unter „Texte“, Zif. 5 und 6. Der Titel „Der Irrtum Descartes“ (Zif. 5) will zeigen, dass die Betrachtungen Descartes bereits von ihrem Ansatz her verfehlt sind.

Die Illusion des Ichs, so werden wir sehen, schlägt sich in unserem Sprachgebrauch nieder. Dabei wollen wir nicht nur über Sprache denken, sondern den Vorgang des Denkens selber in die Anschauung heben. Die Art der Betrachtung ist von der Zugehensweise einer herkömmlichen Philosophie recht unterschiedlich. Die Veranstaltung kann nicht mehr als einen Einblick in eine andere Art des Denkens vermitteln.